Promovieren wozu? Karrieren in Wissenschaft und Wirtschaft
Je länger ich über das Vortragsthema, das ich hier bearbeiten soll nachgedacht habe, umso unmöglicher schien es mir, ohne Differenzierungen und Relativierungen auszukommen. Ich vermute aber, dass Sie hier aber etwas Klares und möglichst Eindeutiges hören wollen. Ein Dilemma.
Aus diesem Grund habe ich mich gefragt, wer heute hier im Publikum sitzt und wer aus meiner Sicht nicht da ist. Kurzum: Wer fragt nach der Sinnhaftigkeit einer Promotion - und wer nicht.
Deshalb versuche ich es erst einmal als Wahrsagerin:
-Ich behaupte, dass es hier unter den Promotionswilligen kaum Mediziner gibt.
-Ich behaupte weiterhin, dass es hier keine Chemiker/innen im Speziellen und kaum Naturwissenschaftler/innen im Allgemeinen gibt.
-Ich behaupte weiterhin, dass hier eine ganze Menge Geistes- und Sozialwissenschaftler/innen sind.
-Und ich vermute auch, dass die meisten von Ihnen zumindest mit der Idee spielen, keine Hochschulkarriere zu machen, sondern einen anderen Weg zu gehen.
Dass ich mit meinen Annahmen Recht habe, kommt nicht von Ungefähr.
Warum habe ich mit meinen Thesen Recht? Weder Mediziner noch Chemiker/ Naturwissenschaftler stellen sich die Frage nach dem Sinn oder Unsinn einer Promotion.
Warum? Den einen wird die Promotion in aller Regel "geschenkt" und für die anderen führt an der Promotion kein Weg vorbei, ob sie an der Uni bleiben oder in die Wirtschaft gehen wollen. Und Leute, die sich sicher sind, eine klassische Unikarriere machen zu wollen, sind sich klar darüber, dass sie eine Promotion brauchen, wenn sie Karriere machen wollen.
Alle anderen - Geistes- und Sozialwissenschaftler - und hier vor allem Geistes- und Sozialwissenschaftlerinnen - die kein marktrelevantes Thema bearbeiten und auch nicht unbedingt in die Wissenschaft gehen wollen sind sich unsicher. Und: Ihre Zweifel sind berechtigt:
Immerhin sind 25-32% aller Geistes- und Sozialwissenschaftler direkt nach der Promotion arbeitslos. Frauen doppelt so häufig wie Männer.
Deshalb gleich vorab ein pauschaler Ratschlag:
Love it or leave it! Egal, was danach kommt.
Also: Eine hohe intrinsische Motivation für das Promotionsprojekt, gekoppelt mit einer großen Portion Fatalismus, dass schon alles gut werden wird. Das sind aus meiner Sicht zentrale Basics.
Nach diesem Versuch, ein komplexes Thema zu reduzieren, einige Relativierungen und Differenzierungen:
-Persönlichkeitsstruktur: Flexible, selbstsichere, kreative, kommunikative, soziale, krisenerfahrene, konfliktsichere, unangepasste, selbstironische, optimistisch-fröhliche Charaktere haben es leichter.
-Rahmenbedingungen während des Promotionsprozesses: Ein Stipendium und den ganzen Tag Zeit für die Dissertation ist sehr viel besser als ein full-time-job und in den Randzeiten promovieren.
-Soziale Herkunftsstruktur: Je höher der familiäre Status, umso bessere Zukunftschancen - sowohl materiell, als auch sozial und kulturell - Bourdieu hat diese drei Kapitalsorten und ihre Verschränkung wissenschaftlich nachgewiesen.
-Promotionsfach und - thema: Je erwünschter Fach und Thema in Wissenschaft und Wirtschaft umso größer der Erfolg - da wie dort.
2) Allgemeines am persönlichen Beispiel
Ich selbst habe voller Lust und Leidenschaft promoviert. Ich habe es als absolutes Privileg empfunden, mich vertieft einer Fragestellung widmen zu dürfen und das betone ich immer wieder gerne, wenn ich in meinen Seminaren Promotionskandidaten treffen, die die Last der Herausforderung in den Vordergrund stellen - die es natürlich auch gibt.
Aber: Seien Sie sich ihrer elitären Situation immer auch bewusst und denken Sie an die Abermillonen Menschen, die tagtäglich an eine Arbeitsstelle gehen, an der sie mehr oder minder stupide Dinge immer wieder tun - ein Leben lang - was für eine Vorstellung.
Die Umstände, die meine Promotionszeit geprägt haben waren allerdings auch ideal:
Ich war mir des Privilegs bewusst, weil ich neben meines Studiums immer gearbeitet hatte und sehr diszipliniert und selbständig war.
Ich hatte ein sehr unterstützendes Netzwerk, war in der scientific community gerne gesehen und hatte durch mein Stipendium auch zahlreiche ideell und finanziell geförderte Möglichkeiten, die ich gerne wahrgenommen habe.
Ob wissenschaftliche Karriere oder Karriere in der Wirtschaft - man sollte wissen, worauf man sich einlässt und was die zu erwartenden Konsequenzen sind: Quidquid agis, prudenter agas et respice finem. (Was immer Du tust, handle klug und bedenke das Ende).
Aus meiner Sicht gibt es einen wesentlicher Unterschied zwischen den beiden Tätigkeitsfeldern: Während hierarchische Strukturen und die entsprechenden Konsequenzen und Bedingungen in der Wirtschaft ganz klar auf dem Tisch liegen und es klare (Spiel-)Regeln gibt, ist das in der Wissenschaft nicht so. Hier werden die selbstverständlich ebenso vorhandenen hierarchischen Strukturen gerne verschleiert. Sie gelten allerdings in gleichem Maß und je höher man in der Wissenschaftskarriereleiter aufsteigt, umso deutlicher werden sie.
Ich überspitze, wenn ich behaupte, dass es nirgendwo in der westlichen Welt noch so ausgeprägte feudalistische Strukturen wie in der Wissenschaft gibt. In welchem sonstigen Bereich haben Sie so 100prozentige Abhängigkeitsstrukturen wie in dem Verhältnis von promovierender Person und Betreuungsperson und später von habilitierender Person zu Betreuungsperson und Scientific Community?
In jedem sonstigen Arbeits- und Beschäftigungsverhältnis haben Sie Rechte und eine Vertretung Ihrer Belange - als promovierende/ habilitierende Person nicht.
3) Promovieren wozu?
3.1. Schicht- und geschlechtsspezifische Unterschiede
Eine kluge, wichtige und entscheidende Frage, die zu Beginn einer Promotion gestellt und beantwortet werden muss.
Nur muss auch gesagt werden, dass sich diese Frage tatsächlich nicht alle Menschen gleich stellen. Für manche ist eine Promotion so normal, wie die Grundschule, das Abitur oder das elterliche Schloss. Aus diesem Grund glaube ich, dass Herr zu Guttenberg sich da tatsächlich missverstanden findet. Ich kenne aber auch Leute, mit denen auf Familienfesten nicht geredet wird, bis sie ihre Promotion in der Tasche hatten.
Das sind erst einmal Wenige und hiermit ist auch Mitleid genug gespendet.
Wesentlich mehr werden es, wenn man sich Selbstrekrutierungsquoten verschiedener gesellschaftlich einflussreicher Schichten anschaut, wie Ärzte, Juristen, Beamte etc. Auch deren Kinder stehen zur oben genannten Frage in eher selbstverständlicher Haltung.
Kurzum: Eine Promotionsentscheidung ist nicht unabhängig von der sozialen Herkunft.
Sie ist auch nicht unabhängig vom Geschlecht. Steffani Engler hat sich geschlechtspezifische Karrieren speziell in der Wissenschaft angeschaut und die Ausschlusskriterien auf dem Weg zur Professur ermittelt.
Und was noch wichtiger ist: Karrieren sowohl in der Wissenschaft als auch in der Wirtschaft sind ebenso wenig unabhängig davon.
3.2. Unterschiedliche Rahmenbedingungen während der Promotion
- Unterschiede zwischen Promovierenden
Es gibt innerhalb der Gruppe von Promotionswilligen eine Reihe von unterschiedlichen Rahmenbedingungen, die wir in unserem Promotionsratgeber berücksichtigt haben und deren spezifische Situationen wir eingebaut haben.
Innerhalb der zwei Grundgruppen - intern oder extern Promovierende - gibt es nach unserer Ansicht 12 Grundpositionen, die von Relevanz sind.
Übrigens sind es häufig Leute aus der Wirtschaft, die nach ihrem Uniabschluss die ersten Karriereschritte machen und dann feststellen, dass sie entscheidende weitere Schritte nur mit einer - externen - Promotion - machen können.
Wenn Sie also unser Buch lesen, dann haben sie schon mal den ersten Versuch, sich gruppenspezifisch einordnen zu können.
Letztendlich kommt es aber gezielt darauf an, sich zu fragen, welche Dissertation in welcher Situation mit welchem Fach und mit welcher individuellen Persönlichkeit.
Ein Tipp:
Lassen Sie sich - möglichst zu Beginn Ihrer Dissertation - individuell beraten, weil sonst u.U. viel Zeit, Energie, Kraft, Nerven, Selbstbewußtsein und Geld verloren geht: Eine halbe Dissertation ist genauso gar keine Dissertation, wie eine fast fertige Promotion.
In Deutschland gibt es ungefähr 25.000 Promotionen im Jahr. Das ist die höchste Promotionsquote weltweit.
Und die Zahlen, die zum Thema Promotionsabbrüche kursieren sind dramatisch: Mehr als 50% aller an Universitäten angemeldeten Promotionen sollen angeblich abgebrochen werden. Diese Zahlen müssen zwar geschätzt sein, weil es laut Wissenschaftsrat keine valide Datenlage gibt, aber sie scheinen nicht unrealistisch.
Ich kenne noch höhere Zahlen, die aber nicht offiziell sind, wenn es um Abbruchquoten bei Promotionsstipendien geht.
3.3. Welche Grundbedingungen gelten für eine promovierende Person?
1) Mit Lust und Leidenschaft für ein - bearbeitbares !!!! -Thema.
Lust und Leidenschaft ist optimal, es kann aber auch eine pragmatische Arbeit sein, die einfach nur gesichert eine bestandene Promotion sichert. Das Thema muss aber in jedem Fall bearbeitbar sein. Ein Thema wie z.B. " Die Außen- und Sicherheitspolitik der Bundesrepublik Deutschland" ist zu umfangreich und deshalb als Promotionsthema nicht geeignet. In jedem Fall muss ein wissenschaftlicher "Mehrwert" geschaffen werden. Allerdings ist der Anteil am Genialen in der Regel 10 % und viel konkrete Arbeit entsprechend 90%.
2) Eine hohe intrinsische Motivation für das Thema und das Ziel oder nur für das Ziel.
Besser ist es, für beides motiviert zu sein, es ist aber absolut legitim für das berufliche Fortkommen einfach nur den Titel zu erwerben und eine eher pragmatische Promotion zu erwerben.
3) Eine gute theoretische, methodologische und arbeitstechnische Vorbildung über den ersten Uniabschluss. Immer häufiger stelle ich in meiner Beratung fest, dass wissenschaftliche Grundlagen für eine Dissertation nicht im ersten Studium vermittelt wurden.
4) Durchhaltefähigkeit:
In der Regel muss über einen sehr langen Zeitraum mit einem Thema und einem Betreuer
8) Umgeben von guten Freunden:
Nachdem es immer wieder Krisen geben wird, braucht es in der Promotionsphase gute Freunde, die einen immer wieder aufrichten und für einen da sind. Bitte mehr als zwei, weil einer allein schafft das nicht.
9) Selbstbewusstsein und Überzeugung von den eigenen intellektuellen und geistigen Fähigkeiten:
Ein Klient von mir hatte genau dieses Problem. Er war überzeugt davon, dass er "dumm" sei. Meine Aufgabe während des Coachings war es, ihm das Gegenteil zu beweisen. Er hat mit "summa cum".
10) Durchsetzungsfähigkeit:
Ohne Durchsetzungsfähigkeit geht es auch nicht.
Konfliktscheue Menschen kommen weder in der Wissenschaft noch in der Wirtschaft weiter.
11 )Ein hohes Maß an Selbstorganisation und Disziplin:
Wer nicht extrem diszipliniert und selbstorganisationsfähig ist, oder sogar im Gegenteil, die Dinge nicht oder später zu erledigen pflegt, der hat ein großes Problem. Man muss quasi ein guter Selbständiger sein.
3.4. Unterschiede in der Promotion je nach Fach:
Neben diesen Persönlichkeitseigenschaften und Grundbedingungen ist zudem von großer Relevanz, in welchem Fach man promoviert.
Am einfachsten ist eine Promotion zweifelsfrei in Medizin. Das wissenschaftliche Niveau dieser üblicherweise studienbegleitend angefertigten Doktorarbeiten entspricht keineswegs dem wissenschaftlichen Standard. Diese in der Medizin vorherrschende Promotionspraxis wird glücklicherweise nun endlich deutlich kritisiert.
Der Wissenschaftrat empfielt "den Doktorgrand in der Medizin nur für solche Dissertationen zu verleihen, die einen substanziellen Beitrag zum wissenschaftlichen Erkenntnisfortschritt leisten und deren Ergebnisse in einer international anerkannten Zeitschrift publiziert werden. (Positionspapier: Anforderung an die Qualität der Promotion, Wissenschaftsrat, 2011, 29)
Die schwierigsten und zeitraubendsten Promotionen hingegen werden in den Geistes- und Sozialwissenschaften geschrieben.
Spannend ist der immense Widerspruch in der gesellschaftlichen Bewertung und die daraus resultierenden Karrierechancen - sowohl in der Wissenschaft als auch in der Wirtschaft.
Das hat selbstverständlich mit der Überbewertung der Naturwissenschaften zu tun, die sie selbstverständlich nicht verdient haben.
Die Physik sollte z.B. nach der Heisenbergschen Relativitätstheorie und noch mehr nach der Quantentheorie eigentlich sehr nachdenklich und bescheiden sein - de facto ist es immer noch anders.
Und mit dieser Realität muss man leben, vor allem wenn man in Geistes- oder Sozialwissenschaften promovieren will.
Für all diejenigen heißt das, gerade wenn sie in der Wirtschaft Karriere machen wollen - Kontakte knüpfen und pflegen. Mehrere Pläne verfolgen.
Es gibt ein Leben nach der Promotion! Und dieses Leben muss eigentlich zu Beginn des Studiums bereits strategisch vorbereitet werden.
Darüber haben wir jetzt schon einiges gehört und auch über Konstitutionsbedingungen für einen solchen Weg gesprochen.Schon Max Weber hat in seinem berühmten Vortrag 1917 "Wissenschaft als Beruf" eine Menge "Entzauberungsarbeit" geleistet und jeder von uns sollte für sich entscheiden, ob seine Einschätzung auch heute noch gültig sein könnte, wenn er in diesem Vortrag zum Beispiel sagt:"Das akademische Leben ist ein wilder Hazard (Zufall, Risiko, Wagnis, Gefahr - die Verfasserin). Glauben Sie, dass Sie es aushalten, dass Jahr um Jahr Mittelmäßigkeit nach Mittelmäßigkeit über Sie hinaussteigt, ohne innerlich zu verbittern und zu verderben?"Diese Aussage wird auch empirisch bestätigt, indem es empirisch nachgewiesen wurde, dass Studierende mit den besten Abschlussnoten selten eine Karriere in der Wissenschaft anstreben.In der Studie des BMBF - Wissenschaftlicher Nachwuchs unter den Studierenden - wird belegt, dass unter dem wissenschaftlichen Nachwuchs die Leistungselite nicht so stark vertreten ist und es heißt weiter: "Unter dem wissenschaftlichen Nachwuchs sind die leistungsbesten Studierenden quantitativ keineswegs vorherrschend. Der wissenschaftliche Nachwuchs kann nicht ohne weiteres mit den leistungsbesten Studierenden gleichgesetzt werden." (2006,15)
Karrieren in der Wissenschaft sind aber auch risikoreich und anstrengend:
-Man sollte nicht älter als 30 sein, bis man die Dissertation fertig hat und dann ca. 5 Jahre später die Habilitation fertig haben, weil die Phase der Bewerbungen - Vertretungen etc. lange dauert. Und es ist nicht sicher, ob man dann auch wirklich eine Professur bekommt. Und was man danach noch machen kann, weiß ich nicht. Ich kenne Leute, die danach 1 Euro Jobs gemacht haben. Es gibt einfach nicht genügend Stellen, selbst für die Besten. Bsp: In den Sprach- und Kulturwissenschaften habilitieren sich ca. 430 Menschen im Jahr, aber es gibt nur 200 neu zu besetzende Professuren.
-Man wird auch nicht wirklich reich mit einer Wissenschaftskarriere und sie ist auch verbunden mit weiteren Risiken: Befristete Verträge kann man sich rechtlich nur für 12 Jahre leisten, danach ist man raus oder findet eine unbefristete Stelle. Man zieht in der Regel auch häufig um - was man auch mögen muss.
-Auf dem Weg zur Professur muss man sich einer Reihe von z.T. unwürdigen Prüfungen unterziehen - man nennt es auch das "Vorsingen". Da hab ich schon genügend Leute erlebt, die im Anschluss einen Nervenzusammenbruch hatten.
-Hat man dann aber die ersehnte Professur, soll man quasi von heute auf morgen ein guter Chef, ein akquisesicherer Mensch und ein Personalentwickler sein. Zudem ein Verwaltungsfachmann und ein politik- und gremienerfahrener Profi. Und das obwohl man sein bisheriges Leben eher mit Unterordnungserfahrungen zu tun hatte. Ein sehr schwieriges Unterfangen.
Alternative Juniorprofessur: Nach einer exzellenten Promotion eine Professur auf Zeit - 6 Jahre. Kein Erfolgsmodell.
Alternative Fachhochschulprofessur: Dazu muss man wissen, dass nicht jedes Fach an den Fachhochschulen gelehrt wird, dass man außeruniversitäre Berufserfahrung braucht und dass die Anzahl der Stunden an Lehrverpflichtung wesentlich höher ist.
Alternative MBA: Gerade in der Wirtschaft bekommt dieser Abschluss immer mehr Bedeutung - er kann auch als Fernstudium neben dem Beruf erworben werden. In Vollzeit dauert der Erwerb 12 Monate. Zudem ist das ein teurer Spaß - unter 10.000 Euro geht nichts und die besten Programme in Amerika kosten 50.000 Euro.
Ein amerikanisches Konzept, das häufig direkt nach dem College absolviert wird.
In Deutschland wird in aller Regel Berufserfahrung vorausgesetzt.Hierbei lernt man eine Reihe von wirtschaftswissenschaftlichen, rechtlichen und managementtechnischen Fähigkeiten.
Womit wir bei Wirtschaftskarrieren wären:
5) Karrieren in der Wirtschaft
Wie bereits gesagt, der MBA ist hier eine echte Alternative zur Promotion und heute in aller Regel sogar die gefragtere Variante. Und gute Arbeitgeber aus der Wirtschaft unterstützen diesen Abschluss auch finanziell - z.B. können McKinsey- Mitarbeiter nach zwei Jahren eine Auszeit nehmen, um zu promovieren oder den MBA zu machen.
Eine Promotion wird aber auch hier als Indikator für hohe Leistungsbereitschaft und Projektmanagementfähigkeit gewertet.
Die Wirtschaft - die natürlich auch keine homogene Masse ist - funktioniert selbstverständlich gänzlich anders als die Wissenschaft. Der Markt ist flexibel und schnell und stellt sich auf Veränderungen deshalb schnell ein, weil hier Geld verdient werden will.
Und die Wirtschaft braucht natürlich dazu optimal geeignetes "human capital" und da geht der Trend hin zur Züchtung passgenauer Mitarbeiter. Das früher übliche Trainee-Programm wird mittlerweile abgelöst von sogenannten dualen Studiengängen. Das heißt, Abiturienten werden beworben, während des Studiums mit einer angebundenen Universität dort zu arbeiten und verpflichten sich auch erst einmal dort zu bleiben.
Jung, fit, angepasst und optimal eingepasst lautet zumindest in großen Wirtschaftsunternehmen das Motto.
Wer ansonsten in die Wirtschaft gehen will, tut das möglichst direkt an den ersten Universitätsabschluss und macht erste Karriereschritte - dann wird auch hier die Luft dünn und es braucht nicht selten an einer bestimmten Karriereposition eine angemessene Weiterqualifikation - Promotion oder MBA - manche Firmen stellen ihre Führungskräfte sogar frei dafür. (S.o.)
Es gibt natürlich nicht nur Großkonzerne sondern auch das große Feld des Mittelstandes. Hier sind die Chancen für einen Quereinstieg größer. Nicht überall wird allerdings ein Doktortitel gewürdigt. Im Gegenteil: Dort wird ein weiterer Titel eher als Zeitverschwendung angesehen und mehr Wert auf unternehmens- oder branchenspezifische Fortbildungen gelegt.
Das spiegelt sich auch ganz treffend, wenn man sich die Promotionshäufigkeit und -verteilung im DAX-Vorstand anschaut: Von 189 Vorständen haben 85 einen Doktortitel. Davon 6 von 7 bei der Münchener Rück, vier von sechs bei Eon und SAP und fünf von 8 bei Thyssen Krupp. Addidas, Lufthansa oder Metro kommen ohne promovierte Vorstände aus.
Ein Doktortitel steigert grundsätzlich das Einstiegsgehalt um bis zu 20.000 Euro im Jahr und bringt natürlich gesellschaftliche Anerkennung, aber er kostet auch wertvolle Zeit, die andere schon für ihre Karriere nutzen können. Außerdem ist das Alter ein entscheidendes Einstellungskriterium. Und leider gilt das Mehr an Gehalt für Geistes - und Sozialwissenschaftler in der Regel nicht.
Je nachdem, wo man hin will, ist ein Doktortitel notwendig oder auch überflüssig. Wer z.B. in die Medienbranche, ins Marketing oder in den IT-Sektor will, der muss nicht promoviert sein.
Oftmals ist es auch eine bessere Alternative einen MBA (Master of Business Administration) zu machen. Der ist vor allem in der Konsumgüterindustrie und im Handel gefragt. Und es sind oft Ingenieure, die diesen Abschluss präferieren, weil sie heute mehr organisatorische und kaufmännische Kompetenzen neben ihren fachwissenschaftlichen Fähigkeiten brauchen.
Viele Unternehmen aus Industrie und Wirtschaft bieten aber auch im Rahmen von Forschungsprojekten Promotionsstellen an. Da kann man Forschung, Promotion, Praxis und Kontakte ins Unternehmen miteinander verbinden.
Sprachenkompetenz ist eine Grundvoraussetzung und Auslandsaufenthalte sind u.U. auch gut.
Die besten Chancen haben Sozial- und Geisteswissenschaftler in der Wirtschaft im Aus- und Weiterbildungsbereich.
Man kann natürlich auch in den öffentlichen Dienst gehen: Verwaltung gibt es überall und deshalb auch viele Stellen. Üblicherweise speist sich deren Personal aber aus den entsprechenden Verwaltungsfachhochschulen.
Und dann natürlich noch die Selbständigkeit. Wer eine gute Promotion optimal organisiert geschafft hat, hat gute Voraussetzungen sich hier zu etablieren, wenn er ein gutes Produkt anbieten kann, über Netzwerke verfügt und sich wirtschaftliche und rechtliche Fähigkeiten aneignet.
Literatur:
Steffani Engler: "In Einsamkeit und Freiheit?" Zur Konstruktion der wissenschaftlichen Persönlichkeit auf dem Weg zur Professur. UVK-Verlagsgesellschaft mbH, Konstanz 2001
Wissenschaftsrat: Anforderung an die Qualitätssicherung der Promotion - Positionspapier 2011
Bundesministerium für Bildung und Forschung: Wissenschaftlicher Nachwuchs unter den Studierenden. Expertise auf der Grundlage des Studiensurveys, Bonn Berlin 2006
Autoren: Tino Bargel, Tobias Röhl
Max Weber: Wissenschaft als Beruf. 1919. In: Schriften 1894-1922. Ausgewählt und herausgegeben von Dirk Kaesler